Entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten (§ 816 Abs. 1 S. 1 BGB) (2024)

Inhaltsverzeichnis

  • I. Die entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten (§816 Abs.1 S.1 BGB)
  • 1. Anspruchsentstehung
  • a) Verfügung
  • b) Verfügender Nichtberechtigter
  • c) Wirksamkeit der Verfügung gegenüber dem Berechtigten
  • aa) Wirksamkeit der Verfügung kraft Gesetzes
  • bb) Wirksamkeit kraft Genehmigung
  • d) Umfang des Anspruchs
  • aa) Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten
  • bb)Verfügender erzielt weniger als den Verkehrswert
  • cc)Verfügender erzielt mehr als den Verkehrswert
  • e) Wegfall der Bereicherung
  • aa) Berücksichtigung von Aufwendungen
  • bb) Sonstiger Wegfall der Bereicherung
  • 2. Anspruch erloschen/Durchsetzbarkeit des Anspruchs

I. Die entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten (§816 Abs.1 S.1 BGB)

276

Prüfungsschema

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Wie prüft man: Anspruch aus §816Abs.1 S.1 BGB

I.

Anspruchsentstehung

1.

Entgeltliche Verfügung durch Anspruchsgegner?

2.

War Verfügender Nichtberechtigter?

3.

Wirksamkeit der Verfügung gegenüber dem Berechtigten

a)

Kraft Gesetzes

b)

Kraft Genehmigung

4.

Umfang des Anspruchs

a)

Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten

Abweichender Verkehrswert

Rn.293

b)

Erweiterungen nach §818 Abs.1 BGB

c)

Wenn Herausgabe nicht (mehr) möglich: Wertersatz, §818 Abs.2 BGB

d)

Kein Anspruch bei fehlender der Bereicherung

aa)

Voraussetzungen des §818 Abs.3 BGB

bb)

Verschärfte Haftung?

II.

Rechtsvernichtende Einwendungen, insbesondere durch Erfüllung, Aufrechnung, nachträglicher Wegfall des Anspruchs nach §818Abs.3 BGB

III.

Durchsetzbarkeit

1.

Fälligkeit

2.

Einreden

1. Anspruchsentstehung

a) Verfügung

277

§816 Abs.1 BGB verlangt die Verfügung über einen Gegenstand.

Definition

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Definition: Verfügung

Eine Verfügung ist ein Rechtsgeschäft, das unmittelbar auf die Aufhebung, Übertragung, Belastung oder Veränderung eines bestehenden Rechtes gerichtet ist.Vgl. Palandt/Ellenberger, vor BGB §104 Rn.16; Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, §42 Rn.19.

278

Im Normalfall bereitet das Merkmal der Verfügung in bereicherungsrechtlichen Klausuren keine besonderen Probleme. Wie schon erwähnt dient §816 BGB insgesamt dem Ausgleich für zwar unberechtigte, aber aus Verkehrsschutzgründen vom Gesetz (zunächst) akzeptierte Verfügungen, insbesondere aus dem Bereich des Gutglaubensschutzes. Immer dann also, wenn in einem Sachverhalt eine Person ein Recht verliert, weil ein Dritter es gutgläubig erworben hat, sollten Sie an die Prüfung der speziellen Eingriffskondiktionen denken. Dann definieren Sie wie gerade beschrieben den Verfügungsbegriff und bejahen ihn.

279

In nur wenigen Ausnahmefällen kann aber das Merkmal „Verfügung“ problematisch werden. Entscheidend ist dann das Merkmal der Unmittelbarkeit. Bloß verpflichtende (schuldrechtliche) Verträge (z.B. der Kaufvertrag nach §433 BGB) führen nicht unmittelbar zur Rechtsveränderung, sondern erst in einem zweiten Schritt, der Erfüllung. Auch die Vermietung einer fremden Sache ist keine Verfügung, da das Rechtsgeschäft des ohne Frage hierzu nicht Berechtigten nicht unmittelbar auf eine Rechtsänderung im Sinne der erwähnten Definition gerichtet ist.[1]Vgl. MüKo BGB/Schwab, BGB §816 Rn.12. Der Eigentümer einer solchen Sache muss daher im Fall der unberechtigten Untervermietung aus §812 Abs.1 S.1 Alt.2 BGB („Eingriffskondiktion“) vorgehen, um vom unberechtigten Vermieter über §818 Abs.1 BGB die Miete zu erhalten.Vgl. zu den verschiedenen Konstellationen und Lösungsansätzen MüKo BGB/Schwab, BGB §816 Rn.12f.

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Ferner muss es sich um ein Rechtsgeschäft handeln. Keine Verfügung ist daher der Verbrauch einer Sache.Vgl. MüKo BGB/Schwab, BGB §816 Rn.21.

Beispiel

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Medizinstudent S gibt sich als Teilnehmer eines medizinischen Kongresses aus, um am bekannt üppigen Abendbuffet teilnehmen zu können. BereicherungsrechtlichDieser Sachverhalt hat auch eine deliktsrechtliche Seite, die aber hier ausgeklammert wird. liegt im Verspeisen keine Verfügung über fremdes Eigentum, sondern ein Eingriff in das Vermögen eines anderen, der mit der Eingriffskondiktion ausgeglichen wird.

b) Verfügender Nichtberechtigter

281

§816 Abs.1 S.1 BGB setzt den unbefugten Eingriff in ein fremdes Verfügungsrecht voraus. Wie sich aus §185 BGB ergibt, ist zwar regelmäßig der Inhaber des Rechts (z.B. der Eigentümer, der Gläubiger der Forderung) verfügungsbefugt. Das muss aber nicht zwangsläufig der Fall sein. Bereits der Umkehrschluss aus §185 Abs.1 BGB zeigt, dass der mit Einwilligung des Rechtsinhabers auftretende Verfügende kein „Nichtberechtigter“ ist. Für §816 Abs.1 S.1 BGB ist also nicht die Rechtsinhaberschaft zum Zeitpunkt der Verfügung maßgebend, sondern die Verfügungsbefugnis.Vgl. Palandt/Sprau, BGB §816 Rn.5. Allen Fallgestaltungen ist gemeinsam, dass der Verfügende im eigenen Namen auftritt. Handelt der Verfügende im fremden Namen, sind nur die Vertretungsvorschriften der §§164ff. BGB anwendbar und nicht der §816 BGB!

Es gibt vier Fallgruppen der Nichtberechtigung:

282

Der Verfügende handelt ohne Einwilligung des Rechtsinhabers. Wichtig: Nur die (vorherige) Einwilligung des Rechtsinhabers macht den Verfügenden zum Rechtsinhaber. Die spätere Genehmigung, auch wenn sie gesetzlich Rückwirkung hat, (§ 184 Abs. 1 BGB), macht aus dem ursprünglich Nichtberechtigten keinen Berechtigten (siehe Rn.288).

283

Der Verfügende ist nicht allein verfügungsberechtigt, wie der Mit- oder Gesamthandseigentümer, der über den gesamten Gegenstand verfügt.

284

Der Verfügende ist nicht mehr berechtigt, weil er (der praktisch häufigste Fall) die schon abgetretene Forderung ein zweites Mal zediert.

285

Der Verfügende ist zwar Rechtsinhaber, hat aber (ausnahmsweise) nicht das Recht zur Verfügung. Diese zunächst befremdlich anmutende Konstellation (jemand hat die volle Rechtsinhaberschaft, darf aber nicht über das ihm gehörende Recht verfügen), kommt doch vor. Fälle von praktischer Bedeutung sind der Schuldner im Insolvenzverfahren (§ 80 InsO) sowie der Erbe, wenn Testamentsvollstreckung angeordnet ist, oder bei Nachlassverwaltung

c) Wirksamkeit der Verfügung gegenüber dem Berechtigten

286

Diese Verfügung muss dem Berechtigten gegenüber wirksam sein. Die Wirksamkeit kann sich entweder aus dem Gesetz ergeben oder durch den Berechtigten durch Genehmigung herbeigeführt werden.

aa) Wirksamkeit der Verfügung kraft Gesetzes

287

§816 BGB insgesamt ist der Ausgleich für dem Berechtigten gegenüber wirksame Vermögensverschiebungen. Diese ergeben sich kraft Gesetzes aus den Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb. Dabei sind die §§932ff. BGB (gutgläubiger Erwerb vom Nichteigentümer)Vertiefend dazu Vieweg/Werner, Sachenrecht, §16 Rn.12; §10 Rn.26ff. die wichtigsten Fälle. Bei beweglichen Sachen sind §1032 BGB (gutgläubiger Erwerb eines Nießbrauchsrechts) sowie §1207 BGB (gutgläubiger Erwerb eines Pfandrechts) zu nennen.Vertiefend dazu Vieweg/Werner, Sachenrecht, §6 Rn.1-35. Besonderen öffentlichen Glauben genießt ferner das Grundbuch. Ist es falsch, kann derjenige, der als z.B. Eigentümer eines Grundstücks eingetragen ist, einem gutgläubigen Dritten das Grundstück übertragen §§892, 873 BGB.Vertiefend dazu Vieweg/Werner, Sachenrecht, §13 Rn.47ff. Aus dem Erbrecht sind die §§2366 bis2368 BGB zu nennen. Ist jemand im Erbschein als Erbe ausgewiesen, so sind seine Verfügungen wirksam, auch wenn sich später herausstellen sollte, dass er in Wahrheit gar nicht Erbe und damit gar nicht verfügungsbefugt war.

bb) Wirksamkeit kraft Genehmigung

288

Eine sehr beliebte Konstellation– vor allem in Klausuren– ist die Fallgestaltung, dass die Verfügung zum Zeitpunkt ihrer Vornahme zwar durch einen Nichtberechtigten vorgenommen wurde, diese Verfügung aber zu diesem Zeitpunkt dem Berechtigten gegenüber nicht wirksam ist, was §816 Abs.1 S.1 BGB voraussetzt.

Beispiel

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Kunsthändler H verkauft an Sammler S ein wertvolles Gemälde. S zahlt 100000€ an H. H hat das Werk zuvor günstig von D gekauft, ohne zu wissen, dass D es dem Eigentümer E gestohlen hat. Als die Sache ans Licht kommt, ist das Gemälde bei einem Brand bei S zerstört worden. S ist zudem zahlungsunfähig und E überlegt, ob er Ansprüche gegen H hat.

Dieses Beispiel zeigt, dass Verfügungen eines Nichtberechtigten durchaus auch von völlig arglosen Personen vorgenommen werden können, die sich durchaus als berechtigt angesehen haben, es aber nicht waren.

289

H war hier Nichtberechtigter, denn auch wenn er beim Erwerb des Gemäldes gutgläubig war, konnte er wegen §935 BGB nicht Eigentümer werden (kein gutgläubiger Erwerb bei abhanden gekommenen Gegenständen). Doch auch der Verkauf an S ändert an dieser Rechtslage zunächst einmal nichts. Das Bild war nach wie vor abhandengekommen. Auch S hatte kein Eigentum erworben.

290

In solchen Fällen hilft der Weg über §184 Abs.1 BGB. E kann die Verfügung H an S genehmigen. Diese Genehmigung macht die Verfügung wirksam. E kann daher von H das Erlangte, also den Kaufpreis herausverlangen. Wie bei allen Kondiktionen ist ein Verschulden nicht erforderlich. H muss zahlen, auch wenn er noch so gutgläubig war. Ob H einwenden kann, er selbst habe schließlich etwas an D gezahlt, prüfen wir beim Prüfungsschritt „Wegfall der Bereicherung“ im Rahmen des Unterpunktes „Berücksichtigung von Aufwendungen“.

291

Eine Genehmigung kann ausdrücklich erklärt werden oder aber sich aus dem Verhalten des Gläubigers konkludent ergeben. Die Klageerhebung gegen den Nichtberechtigten, dessen Verfügung nicht wirksam war, ist in aller Regel eine solche konkludente Genehmigung seiner Verfügung.Vgl. Palandt/Sprau, BGB §816 Rn.7.

d) Umfang des Anspruchs

aa) Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten

292

Die erste Rechtsfolge nach einer dem Berechtigten gegenüber wirksamen Verfügung eines Nichtberechtigten ist die Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten. Dies regelt bereits § 816 Abs. 1 S. 2 BGB, ohne dass wir (wie bei den Kondiktionen aus § 812 BGB) erst den § 818 Abs. 1 BGB bemühen müssen

293

Das durch die Verfügung Erlangte stellt in aller Regel einen Geldbetrag dar, den der Verfügende für den unberechtigt verkauften Gegenstand erhalten hat.Vgl. zur a.A. Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.723. Dies ist solange unproblematisch, wie das Erlangte in etwa dem objektiven Verkehrswert des Gegenstandes entspricht. Fraglich ist aber einerseits, was nach §816 Abs.1 S.1 BGB an den Berechtigten zu zahlen ist, wenn der Verfügende deutlich weniger als den Verkehrswert erlangt hat sowie andererseits der gegenteilige Fall, wenn also der Verfügende deutlich mehr als den Verkehrswert erzielen konnte.

bb)Verfügender erzielt weniger als den Verkehrswert

294

Gäbe es den §816 Abs.1 S.1 BGB nicht, wäre die Verfügung eines Nichtberechtigten ein Fall einer Eingriffskondiktion nach §812 Abs.1 S.1 Alt2 BGB. Dann hätte der Nichtberechtigte nach §818 Abs.2 BGB den Wert zu ersetzen, denn die Sache selbst gehört ja wirksam einem Dritten.

295

Die Rechtsprechung sieht aber §816 Abs.1 S.1 BGB mit seiner ausdrücklichen Rechtsfolge „Herausgabe des durch die Verfügung erlangten“ als abschließende Spezialvorschrift gegenüber dem §818Abs.2 BGB.Vgl. OLG Hamm, Urteil v. 2.2.1995 – 21 U 113/94 = NJW-RR 1995, 1010. Wenn also in unserem Beispiel des Kunsthändlers, der ein gestohlenes Gemälde verkauft, das Gemälde einen Wert von 200000€ hatte, er aber nur 100000€ erzielte, so hat er aber auch nur diese 100000€ herauszugeben.

Hinweis

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Sie merken sich also: § 818 Abs. 2 BGB ist beim Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB nicht anwendbar.

cc)Verfügender erzielt mehr als den Verkehrswert

296

Mit dem gleichen Argument wie beim umgekehrten Fall spricht die Rechtsprechung dem Berechtigten den vollen erlangten Kaufpreis zu, auch wenn dieser (sogar deutlich) über dem Verkehrswert liegt.

297

Der Nichtberechtigte wird nicht damit gehört, dass der höhere Kaufpreis allein auf seine besondere Geschäftstüchtigkeit zurückzuführen sei. Neben der Tatsache, dass diese Auffassung insbesondere auch von der RechtsprechungVgl. BGH, Urteil v. 8.1.1959 – VII ZR 26/56 = NJW 1959, 668; BGH, Urteil v. 24.9.1996 – XI ZR 227/95 = NJW 1997, 190. vertreten wird, sprechen einige weitere Argumente dafür: Einmal deutet der eindeutige Wortlaut „das durch die Verfügung Erlangte“ auf eine vollumfängliche Herausgabe hin. Es steht dort eben nicht „Wert des verfügten Gegenstandes“. Ferner ist kaum abzugrenzen, inwieweit die über dem Verkehrswert liegende Gegenleistung auf „Geschäftstüchtigkeit des Verfügenden“, „Glück“ oder bloße Dummheit des Erwerbers zurückzuführen ist. Abgesehen von den Schwierigkeiten, in einem streitigen Fall hier einen Beweis zu führen.Vgl. MüKo BGB/Schwab, BGB §816 Rn.39-41 (mit umfangreichen Nachweisen zur Gegenmeinung sowie einer ausführlichen Stellungnahme); a.A. Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.723.

Hinweis

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Sie merken sich: Im Fall des §816 Abs.1 S.1 BGB hat der Verfügende genau das herauszugeben, was er für den Gegenstand erhalten hat, gleich ob zu wenig (keine Anwendung des §818 Abs.2) oder zu viel (Wortlaut des §816 Abs.1 S.1 BGB).

e) Wegfall der Bereicherung

298

§816 Abs.1 S.1 BGB ist eine speziell geregelte Eingriffskondiktion. Deshalb richtet sich der Umfang des Bereicherungsanspruchs mit Ausnahme des hier nicht anwendbaren §818 Abs.2 BGB nach den §§818, 819 BGB.Vgl. Palandt/Sprau, BGB §816 Rn.11. In diesem Zusammenhang sind zwei Probleme zu erörtern.

aa) Berücksichtigung von Aufwendungen

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Im Rahmen des Wegfalls der Bereicherung kann der Kondiktionsschuldner (hier der verfügende Nichtberechtigte) Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er ohne die Verfügung nicht gehabt hätte. Dazu zählen z.B. Kosten der notariellen Beurkundung, Maklerkosten usw. Auch gehören werterhöhende Aufwendungen vor der Veräußerung (wie z.B. Reparaturen, Restaurierungen etc.) zu den abzugsfähigen Aufwendungen.Vgl. Palandt/Sprau, BGB §816 Rn.11.

300

Fraglich aber ist, ob der Kaufpreis, den der Verfügende zuvor an einen Dritten gezahlt hat, als ein solcher Aufwand abzugsfähig ist.

Beispiel

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Der oben beschriebene gutgläubige Kunsthändler zahlt an den Dieb D einen Preis von 50000€ für das Bild, das er später für 100000€ an S verkauft. Nachdem Eigentümer E die unwirksame Verfügung (§935 BGB) genehmigt, verlangt er von H das „Erhaltene“, also die 100000€ zurück.

Wir haben schon erarbeitet, dass E von H nach §816 Abs.1 S.1 BGB den vollen Kaufpreis verlangen kann. Die etwaige Geschäftstüchtigkeit des H soll nicht ihm, sondern dem Inhaber des Rechts zugutekommen. Fraglich ist aber, ob H nicht wenigstens seinen eigenen Aufwand, nämlich die an D gezahlten 50000€ zurückverlangen kann. Man könnte dies damit begründen, dass H nur in Höhe der Differenz zwischen Aufwand und Verkaufspreis bereichert sei. Die herrschende Meinung ist aber anderer Auffassung.Siehe die Nachweise bei Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.725 sowie bei Looschelders, Schuldrecht BT, §55 Rn.27; MüKo BGB/Schwab, BGB §816 Rn.55. Sie können diese Auffassung mit der Rechtsprechung damit begründen, dass vor der Veräußerung der H dem Eigentümer E, der nach §985 BGB die Herausgabe verlangt, auch nicht entgegenhalten könnte, er habe schließlich etwas für den Gegenstand bezahlt.Kritisch dazu: Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.725.

301

Der H muss daher in unserem Beispielsfall an den E den vollen erhaltenen Kaufpreis nach §816Abs.1 S.1 BGB herausgeben, ohne dass er den an D gezahlten Preis abzuziehen berechtigt wäre.

302

H kann schließlich auch nicht analog §255 BGB vom E verlangen, dass dieser ihm die Ersatzansprüche gegen D abtritt. §255 BGB ist eine Norm des Schadenersatzrechtes und im Rahmen des §816 BGB nicht, auch nicht entsprechend anwendbar.Vgl. Palandt/Sprau, BGB §816 Rn.11.

bb) Sonstiger Wegfall der Bereicherung

303

Im Übrigen kann sich der Nichtberechtigte wie jeder andere Schuldner einer Kondiktion im Grunde auch, auf §818Abs.3 BGB berufen. §818Abs.3 BGB führt dazu, dass die Verpflichtung zur Herausgabe dann ausgeschlossen ist, wenn der Kondiktionsschuldner nicht mehr bereichert ist.

304

Der Schuldner der Kondiktion nach § 816 Abs. 1 S. 1 BGB ist der nicht berechtigt Verfügende. Er erhält in aller Regel als Gegenleistung Geld, sodass hier im Normalfall nur ein Wegfall der Bereicherung anzunehmen ist, wenn der Schuldner das Geld für Luxusaufwendungen ausgibt, die er ansonsten nicht getätigt hätte (siehe oben Rn.201).

305

Durchaus praktische Bedeutung erhält aber §818 Abs.3 BGB im Rahmen der Verfügung eines Nichtberechtigten bei der Verkaufskommission. Wenn Kommissionär K die dem E gehörende Sache im Auftrag des D als Nichtberechtigter veräußert, so erhält er zunächst den Verkaufspreis. Hat er ihn vor der Inanspruchnahme durch E schon an D weitergeleitet, ist K insoweit nicht mehr bereichert. Eine Bereicherung liegt nur noch im Rahmen der bei ihm verbliebenen Verkaufsprovision vor.

2. Anspruch erloschen/Durchsetzbarkeit des Anspruchs

306

Bei der Frage des Erlöschens und der Durchsetzbarkeit des Anspruchs gibt es bei der Kondiktion nach §816 Abs.1 S.1 BGB keine Besonderheiten in der Fallprüfung. Es gelten die allgemeinen Regeln.

Entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten (§ 816 Abs. 1 S. 1 BGB) (2024)

FAQs

Entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten (§ 816 Abs. 1 S. 1 BGB)? ›

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 816 Verfügung eines Nichtberechtigten. (1) Trifft ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine Verfügung, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist er dem Berechtigten zur Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten verpflichtet.

Was ist eine entgeltliche Verfügung? ›

Eine Verfügung erfolgt entgeltlich, wenn der Erwerber dafür eine Gegenleistung erbracht hat oder erbringen soll. Die Gegenleistung muss dabei weder gleichwertig noch synallagmatisch mit der Verfügung verknüpft sein.

Wann ist eine Verfügung unentgeltlich? ›

Eine unentgeltliche Verfügung liegt hierbei vor, wenn objektiv ein Nachlassgegenstand ohne gleichwertige Gegenleistung weggegeben wird und subjektiv der Testamentsvollstrecker weiß das keine gleichwertige Gegenleistung in den Nachlass erfolgt.

Wann 812 und 816? ›

§ 812: Jemand erlangt von einem anderen etwas ohne rechtlichen Grund (!) und muss es deswegen wieder herausgeben. Entscheidend ist, dass es keinen Rechtsgrund für die Leistung gibt. § 816: Hier ist das Geschäft hingegen wirksam, allerdings hat ein Nichtberechtigter gehandelt (schau dir dazu mal den § 185 an).

Wann ist eine Verfügung wirksam? ›

Die Verfügung ist dem Berechtigten gegenüber wirksam, wenn jemand von dem Nichtberechtigten ein Recht kraft guten Glaubens erwirbt (z.B. §§ 932, 892, 1207 BGB).

Was ist eine Verfügung 816 BGB? ›

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 816 Verfügung eines Nichtberechtigten. (1) Trifft ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine Verfügung, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist er dem Berechtigten zur Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten verpflichtet.

Ist 816 eine Nichtleistungskondiktion? ›

Aufbau der Prüfung - Verfügung eines Nichtberechtigten, § 816 I 1 BGB. Die Verfügung eines Nichtberechtigten ist in § 816 I 1 BGB geregelt. Die entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten ist ein spezieller Fall der Nichtleistungskondiktion.

Wann ist eine Verfügung ungültig? ›

Nach der Evidenztheorie ist eine Verfügung nichtig, wenn der ihr anhaftende Mangel besonders schwer und offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und zudem die Rechtssicherheit dadurch nicht ernsthaft gefährdet wird. Eine nichtige Verfügung entfaltet keinerlei Rechtswirkungen.

Was ist eine Verfügung BGB? ›

Bürgerliches Recht

Rechtsgeschäft, durch das ein Recht unmittelbar aufgehoben, übertragen, seinem Inhalt nach verändert oder belastet wird, z.B. Übereignung, Verpfändung einer Sache, Abtretung einer Forderung (Forderungsabtretung).

Wann ist eine Verfügung unwirksam? ›

Nichtig sind testamentarische oder erbvertragliche Verfügungen auch dann, wenn sie inhaltlich nicht wirksam vereinbart werden können. Das ist insbesondere der Fall, wenn die letztwillige Ver- fügung gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (§ 134 BGB) oder gegen die guten Sitten verstößt (§ 138 BGB).

Was ist 812 BGB für ein Anspruch? ›

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 812 Herausgabeanspruch

Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

Wann verjährt 812? ›

Der Rückforderungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB unterliegt nach § 195 BGB der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (vgl. BGH 14.

Was ist der Unterschied zwischen 812 und 985? ›

§ 812 verlangt, dass jemand etwas erlangt hat uns das ohne Rechtsgrund, also zB. Eigentum (=etwas) ohne wirksamen Kaufvertrag (=Rechtsgrund). § 985 besagt dagegen, dass ein Besitzer, der nicht Eigentümer ist, die Sache herausgeben muss an den Eigentümer.

Was ist ein Nichtberechtigter? ›

Nichtberechtigter ist, wer nicht Rechtsinhaber ist und weder kraft Rechtsgeschäft oder Gesetz zur Verfügung befugt ist.

Wann ist eine Verfügung anfechtbar? ›

Verfügungen sind bei Vorliegen von Formfehlern grundsätzlich anfechtbar. Lediglich bei schwerwiegenden Formfehlern kann ausnahmsweise von Nichtigkeit ausgegangen werden.

Was ist eine Verfügung Beispiel? ›

Das klassische Beispiel für eine Verfügung ist die Übereignung nach § 929, 1 BGB - bei dieser wird das Eigentum übertragen. Die Übereignung ist ein dreiseitiges Rechtsgeschäft. , sondern einfach die Grundschuld wieder aufheben kann. Allerdings sind Verfügungen nicht auf dingliche Rechte beschränkt.

Was regelt eine Verfügung? ›

Die Verfügung ist ein Hoheitsakt, der sich an den Einzelnen richtet und durch den eine konkrete verwaltungsrechtliche Rechtsbeziehung verbindlich geregelt wird. In einer Verfügung wird somit ein generell-abstrakter Erlass (Gesetz im formellen Sinn oder Verordnung) auf einen konkreten Einzelfall angewendet.

Ist die Vermietung eine Verfügung? ›

Da eine Vermietung als schuld- rechtliches Rechtsgeschäft keine „Verfügung“ iS. eines Rechtsgeschäfts ist, das unmittelbar auf ein bestehendes Recht einwirkt, kommt nur eine entsprechende Anwendung von § 883 II BGB in Betracht.

Was ist die Leistungskondiktion? ›

Leistungskondiktion ist eine Rückforderung einer Leistung, die ohne rechtlichen Grund erbracht wurde. Derjenige, der eine Leistung erbracht hat, ohne dazu rechtlich verpflichtet gewesen zu sein, kann eine sogenannte Kondiktion geltend machen und die Leistung zurückfordern.

Was ist eine Eingriffskondiktion? ›

Die Eingriffskondiktion erfasst Fälle, in denen der Bereicherte die Bereicherung selbst herbeigeführt hat. Beispiel: A nutzt heimlich das Flugzeug des B, um seine eigenen Felder zu düngen. Es fehlt an einer Leistung, denn der B als Bereicherungsgläubiger hat die Bereicherung des A nicht bewirkt.

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